Schwarzblauer Riesling

Der Wein der Römer

Autor: Michael Kuhn
Der Förderverein Römerkelter Erden e.V. hat ein ambitioniertes Projekt gestartet. Nach mehr als 1700 Jahren soll der Wein der Römer wieder entstehen.


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Einige wenige Weinstöcke mit roten Beeren in einem Meer von grünen Rieslingtrauben. Man reibt sich verwundert die Augen und hält dieses Phänomen auf den ersten Blick für eine Laune der Natur. Beim näheren Hinschauen fällt jedoch auf, dass besagte Stöcke direkt neben den seit Jahren hier wachsenden Riesling gesetzt sind. Schlank und (noch) unscheinbar bilden sie eine seltsame Symbiose mit dem ursprünglichen Bewuchs des Rebhangs. Eher unscheinbar handelt es sich jedoch in Wahrheit um ein sehr ambitioniertes und ehrgeiziges Projekt des hiesigen Fördervereins Römerkelter Erden e.V.

 

 

Die Traube des Blauschwarzen Rieslings in ihrer ganzen Pracht

Das Blatt ähnelt frappierend dem des Rieslings

Wenden wir uns zunächst dem Ausgangspunkt des Projekts zu. Fragt man nach den Wein der Römer, wird zuerst der Elbling genannt. Was wortreich gefeiert und bemüht wissenschaftlich erklärt wird, handelt sich jedoch wohl um einen Marketinggag Luxemburger Winzer aus den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Man hoffte damals, der heimische Rebe mit diesem Altersprädikat eine höhere Aufmerksamkeit zu verschaffen. Eine Behauptung, die wissenschaftlichen Erkenntnis in keiner Weise standhalten kann. Man weiß aus Genanalysen, dass das Rebenmaterial der Römer auf Traminertrauben beruhte. Im Elbling kann man den Heunisch und Wildrebenanteile, aber keinen Traminer nachweisen. Beim Heunisch handelt es sich um eine im Mittelalter aus Südosteuropa eingeführte Rebsorte, die neben einem hohen Fruchtertrag über eine robuste Klimaverträglichkeit verfügte. Ein Umstand, der mit dem Einsetzen der kleinen Eiszeit im 14. Jahrhundert von existenzieller Bedeutung für den hiesigen Weinbau war. Man nimmt heute an, dass fast das gesamte spätantike/frühmittelalterliche Rebenmaterial dem Klimawandel zum Opfer gefallen war. Der Heunischrebe, die in beinahe allen heutigen Sorten nachweisbar ist, kommt somit eine überragende Bedeutung bei der Rettung des Weinbaus an Rhein und Mosel zu. Damit ist bewiesen, dass dort, wo der Heunisch nachweisbar ist, nicht von einer antiken Herkunft gesprochen werden kann.

Da hilft auch ein sprachlicher Vergleich nicht weiter, der den „Elbling“ vom lateinischen Vitis Alba herleitet. Das heißt nichts anderes als weiße Traube (Rebe), was auf mindestens die Hälfte der damals vorkommenden Rebsorten zutrifft.

Die Fahndung nach dem Wein der Römer ist somit eine Suche nach Tramineranteilen im hiesigen Rebenmaterial. Fündig wird man beim Riesling, der über wenige Traminergene verfügt. Da jedoch die Heunischanteile bei weitem überwiegen, hilft diese Spur nicht weiter. Beim Gutedel verhält es sich ähnlich und auch dieser Pfad läuft ins Leere.

Glücklicherweise gibt es das Projekt „alte Rebsorten“ der Fakultät für Weinbau und Oenologie an der Hochschule zu Geisenheim. Man hat es sich dort zur Aufgabe gemacht, Rebsorten aufzuspüren und nachzuzüchten, die lange als unbekannt oder ausgestorben galten. Ein Fall ist dabei von besonderem Interesse.

Der blauschwarze Riesling, der nur in seiner Blattform dem Riesling ähnelt und sonst keine Gemeinsamkeiten aufweist, hatte in wenigen Exemplaren an der Mittelmosel (2) und an der Bergstraße die Zeiten überdauert. Ein Blick in seinen genetischen Stammbaum macht die Sache noch interessanter: es sind nur der Traminer und Wildreben nachweisbar. Somit erfüllt diese Rebe die Voraussetzungen, die auf eine antike Herkunft hinweisen.

Zurück zum Erdener Projekt. Es gelang dem 1. Vorsitzenden des Fördervereins, Stefan Justen, einige Setzlinge aus Geisenheim zu besorgen, die vor zwei Jahren an besagter Stelle angepflanzt wurden. In diesem Jahr trugen sie zum ersten Mal Früchte, aber es werden noch einmal 1 – 2 Jahre vergehen, ehe das Lesematerial so ergiebig sein wird, dass man damit arbeiten (keltern) kann. Erste Geschmacksproben versprechen jedenfalls einen leicht nach Cassis schmeckenden eleganten Wein.

War das der Geschmack, den die Römer im Mund hatten, wenn sie sich in geselliger Runde trafen? Man darf gespannt sein.

Noch wirken sie unscheinbar: die neuen Setzlinge in prominenter Umgebung