Die Äußere Stadtmauer

Fortis Urbs Aquensis 3

Übersichtsplan Äussere Stadtmauer

Autor: Michael Kuhn M.A.

Entlang ihres damaligen Verlaufes von über 5 km sind die teilweise monumentalen Hinterlassenschaften der Zweiten Äusseren Stadtmauer bis heute im Stadtbild nicht zu übersehen. Zwei Stadtore mit Ansätzen der Stadtmauern und fünf Türme prägen das Bild des zum großen Teil auf den einplanierten Gräben der Befestigungen verlaufenden Alleenrings rund um die Altstadt. Begleiten Sie uns auf eine Reise rund um eine der einst größten und mächtigsten Befestigungen des deutschen Mittelalters.


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Das rasche Wachstum der Stadt brachte es mit sich, dass im ausgehenden 13. Jahrhundert eine Erweiterung der bisherigen Stadtmauer unumgänglich wurde. Obwohl die Barbarossamauer bis dahin den Schutz des dicht bebauten Stadtgebietes gewährleistet hatte, stand sie jetzt einer weiteren Ausdehnung im Weg.

Bis zu 4000 Arbeiter und Handwerker waren nötig, um das ambitionierte Großprojekt im ausgehenden 13. Jahrhundert umzusetzen. In einer ersten Phase wurden bis etwa 1320 zuerst die Haupttore und danach die weiteren Zugänge und Türme errichtet. Dann wurden Stück für Stück die dazwischen liegenden Mauerstücke in Angriff genommen. Bis zur Schließung der letzten Mauerlücken sollten annähernd 50 Jahre (Mitte 14. Jh.) vergehen.

Die großzügige Planung der zweiten Umwallung vermehrte die Stadtfläche um das Vierfache. Sie umfasste nunmehr ein Gebiet, dass erst in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vollständig bebaut war. Bis dahin wurde innerhalb der Stadtmauern noch ausgiebig Landwirtschaft betrieben, weil sich die Bebauung auf die Areale zu beiden Seiten der Ausfallstraßen beschränkte. Die Einwohnzahl erhöhte sich in diesen Jahren auf etwa 20.000. Damit gehörte Aachen zu den größten Städten Mitteleuropas.

Die Äußere Mauer hatte jetzt bei einer Höhe von 8 – 10 m und einer Mächtigkeit von 2 – 4 m eine Länge von ca. 5.300 m erreicht. Bautechnisch betrachtet ähnelte die Bauweise der Äußeren Mauer der Barbarossamauer. Zwischen zwei sorgfältig gesetzte Schalmauern wurde Gussmauerwerk aus unregelmäßigen Brocken und Mörtel verfüllt.

Schalmauerwerk der Stadtmauer am Marienturm.

Zur Stadtseite hin war sie mit Schießscharten und Rundbogennischen versehen. 11 Tore und 23 Türme verstärkten und komplettierten den Mauerring. Im Bereich der heutigen „Schanz“ bedingte das Gelände den Bau einer vorgelagerten Schanzanlage. Insgesamt betrachtet besaß Aachen eine der mächtigsten Stadtbefestigungen im Deutschen Reich und in Mitteleuropa. Vergleichbare Stadtbefestigungen gab es nur in den großen auswärtigen Metropolen (Paris und London) sowie in Köln, Nürnberg, Augsburg und Frankfurt.

Innere Mauerseite mit Rundbogennischen am Langen Turm

Mauerzinnen und vorgelagerter, größtenteils verfüllter Graben am Ponttor.

Die Mauerkronen trugen 1 – 4 m breite Zinnen mit ca. 80 cm breiten Zwischenräumen. Schießscharten wurden je nach Zweck in den unterschiedlichsten Formen eingebaut. Es finden sich noch heute „normale“ Schlitzscharten, Schlüsselscharten, Maulscharten und gewellte Maulscharten, wobei die letzteren der Entwicklung und Verwendung von Feuerwaffen geschuldet sind.

Schlüsselscharte mit eingemauerter Kanonenkugel am Marienturm.

Maulscharte am Marienturm.

Gewellte Maulscharte am Marienturm.

Den Mauern war ein 24 – 28 m breiter Graben vorgelagert, der eine Tiefe bis zu 12 m aufwies. War dieser mit Wasser gefüllt betrug die Tiefe ca. 8 m.

Einlässe in den Mauerring gewährten die vier als Torburgen ausgebauten Haupttore, die den Zugang in die Stadt an den Hauptverkehrswegen schützten (Ponttor, Marschiertor, Kölntor, Jakobstor). Von diesen Haupttoren haben sich nur die beiden erstgenannten erhalten. Wobei das Ponttor mit seinem rechteckigen Hauptbau, dem überbrückten Graben und der vorgelagerten und mit Mauern verbundenen Barbakane (Vortor) als eines der besterhaltenen, restaurierten Stadttore Deutschlands gilt. In einer Unterführung vor dem Tor hat sich zudem noch eine vorgelagerte Schanze erhalten, die im 17. Jahrhundert zum Schutz der Anlage gegen Artilleriebeschuss angelegt wurde.

Ponttor mit Vortor (Barbakane).

Vorgelagerte Schanze vor dem Ponttor.

Das ebenfalls erhaltene Marschiertor besteht aus zwei durch einen Mittelbau verbundenen Rundtürme. Die vorgelagerte Barbakane und der Graben haben sich nicht sichtbar erhalten.

Marschiertor.

Zugang zum Wehrgang am Marschiertor.

Das an der Straße nach Jülich und Köln gelegene Kölntor galt als das prächtigste der Aachener Stadttore, wenn nicht gar des ganzen Reiches. Ähnlich dem Ponttor war eine Barbakane mit zwei sechseckigen Türmen mit Spitzdächern vorgelagert. Im Mittelbau gab es eine komfortabel ausgestattete Wachstube mit Kaminen für den Kommandanten. Leider ist dieses Tor in Napoleonischer Zeit (1807) abgerissen worden.

Zu diesen Haupttoren kamen noch 7 weitere Stadttore (Bergtor, Sandkaultor, Adalbertstor, Wirichsbongardtor, Rostor, Königstor, und Junkerstor), von denen nur das letztgenannte kein Vortor besaß. Als weiteres Tor kann auch der wegen seines großen Wasserdurchlasses als Wasserturm bezeichnete Zugang in die Stadt gelten.

Zwischen den Toren verstärkten 23 Türme die Befestigungsanlagen. Zusätzlich gab es an einigen Stellen noch die Mauerkrone überkragende Erker, aus denen der Raum zwischen den Toren und Türmen mit Verteidigungsgeschossen bestrichen werden konnte. Angelehnt an der Innenseite der Mauer standen die Standquartiere (Wächterhäuser) der Tor- und Turmwächter.

Mit dem Langen Turm, dem Adalbertsturm, dem Lavenstein, dem Pfaffenturm und dem Marienturm haben insgesamt fünf Türme den Abriss der Stadtbefestigungen im 19. Jahrhundert überstanden.

Der Lange Turm bildete den höchsten Punkt der Stadtbefestigung. Deshalb versahen die dort stationierten Wächter auch einige besondere Aufgaben. Zum einen wurde hier wegen der guten Übersicht eine ständige Brandwache unterhalten. Ebenfalls befand sich hier auch die zentrale Überwachungs- und Koordinationsstelle der Aachener Landwehr (Aachener Reich). Von allen Wachstationen der ca. 70 km langen Einrichtung wurde eine ständige optische Verbindung zum Langen Turm gehalten. Feindliche Annäherungen oder sonstige Vorkommnisse konnte so auf direktem Wege übermittelt werden.

Der Lange Turm.

Der Marienturm gehörte zu den mächtigsten Bollwerken der Äußeren Mauer. Er ersetzte den Brauersturm aus dem 14. Jahrhundert und diente ab dem frühen 16. Jahrhundert mit seinen auf ihm stationierten Kanonen als Artilleriestellung, von der aus man das Gelände zwischen Bergtor und Ponttor sowie den höher gelegenen Lousberg wirkungsvoll bestreichen konnte.

Seine Feuertaufe erlebte der Marienturm während des Dreißigjährigen Krieges im Jahre 1638. Noch heute zeugen Kanonenkugeln in den Mauern vom Beschuss der Belagerer. Die steinernen Kugeln wurden an den Stellen eingemauert, wo sie vorher eingeschlagen waren und Schäden hinterlassen hatten. Das stellte die wirkungsvollste Reparaturmaßnahme dar, der man sich in aller Eile bedienen konnte.

Der Marienturm.

Pfaffenturm, Lavenstein und Adalbertsturm kamen keine besonderen Aufgaben zu. Sie verstärkten als Zwischentürme den Schutz der Mauern zwischen den Toren.

Der Lavenstein.

Der Pfaffenturm.

Der Adalbertsturm.

Bis zur Endphase des Dreissigjährigen Krieges blieb Aachen von größeren militärischen Bedrohungen verschont. Ob die Mächtigkeit der Befestigungen eine abschreckende Wirkung darstellten mag dahingestellt sein. Es ist auffällig, dass die Mauern ab dem 16. Jahrhundert nicht durch bastionäre Anlagen verstärkt wurden (siehe Köln, Jülich etc.). Es bestand vermutlich kein akuter Handlungsbedarf.

Eine richtige Belagerung fand erst im Jahre 1638 statt und endete mit der Übergabe der Stadt an die kaiserlichen Truppen (6000 Mann) unter den Generalissimi de Grana und Piccolomini. Eine zweite Einquartierung feindlicher Truppen fand ein halbes Jahr später ohne weiteren Widerstand seitens der Verteidiger statt. Ein siegreiches Gefecht bei Haaren und eine Kontributionszahlung konnten in den folgenden Jahren weiteren Schaden von der Stadt abwenden. In den letzten Jahren des Krieges und während der folgenden Auseinandersetzungen des Französisch – Spanischen Krieges beschränkten sich die Bedrängungen und Verwüstungen auf Gebiete außerhalb der Mauern.

Im Verlauf des 18. Jahrhunderts stellte die Stadt kein lohnendes militärisches Ziel mehr dar, so dass nach der Einverleibung Aachen in den Französischen Staat (Departement de la Roer) die Befestigungen zu Beginn des 19. Jahrhunderts zu großen Teilen abgebrochen wurden. Die Flächen der niedergelegten Mauern, Tore und Türme wurden zwischen St. Adalbert und dem Ponttor in Grünflächen umgewandelt. Von der Bevölkerung wurde diese Maßnahme als Akt der Moderne und Befreiung angesehen. Man feierte das Einziehen von Licht und frischer Luft in die als bedrückend empfundene Enge der Mauern. In Preußischer Zeit wurden bis zum Ende des 19. Jahrhunderts die Reste der ehemaligen Stadtbefestigung bis auf die noch heute vorhandenen Reste abgebrochen. Einige innerstädtischen Bauwerke wie zum Beispiel die Jakobskirche und andere Neubauten profitierten von den vielfältigen Baumaterialien der niedergelegten Mauern.

Die Jakobskirche.

Die Aufgabe der früheren Tore als Kontrollstellen für ein- und ausgehende Waren übernahmen nun kurzfristig angelegte Neubauten wie das Zollhäuschen an der Stelle des ehemaligen Königstores.

Das Zollhäuschen an der Königsstraße.

Versetzte Torpfeiler von der Königsstraße am Hangeweiher.

Heute werden die übrig gebliebenen Tore und Türme in der Hauptsache von Vereinen und unterschiedlichen öffentlichen Einrichtungen genutzt.

Bericht