Die Fossa Eugeniana

Wasserweg und Bollwerk zwischen Rhein und Maas

Autor: Michael Kuhn

Zweihundert Jahre vor dem Baubeginn des Napoleonskanals gab es am Niederrhein bereits ein Vorgängerprojekt. Wie beim “Grand Canal Du Nord” war das Ziel unter anderem die wirtschaftliche Schwächung der Niederlande. Zusätzlich ging es den spanisch-habsburgischen Erbauern darum, ein Verteidigunmgsbollwerk gegen drohende territoriale Übergriffe aus den niederländischen Generalstaaten zu schaffen.


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Im Frühjahr dieses Jahres beschäftigten wir uns ausgiebig mit der Geschichte des von Napoleon Bonaparte geplanten und begonnen „Grand Canal Du Nord“. Bereits bei der Recherche rückte die zweihundert Jahre früher begonnene „Fossa Eugeniana“ in den Fokus der Betrachtung. Auffallend ist die politisch-wirtschaftliche Motivation der Spanier und später der Franzosen, die Generalstaaten oder große Teile der heutigen Niederlande durch einen Kanal, der Rhein, Maas und Schelde verbinden sollte, vom lukrativen Handel mit dem Rheinland abzuschneiden.

Namensgeberin des ehrgeizigen Projektes war die Infantin Isabella Clara Eugenia von Spanien, Tochter Philipps II. von Spanien und Statthalterin des damals von Spanien besetzten Teiles der Niederlande (heutige Belgien). Die sieben nördlichen Provinzen hatten sich bereits 1568 von den spanischen Habsburgern losgesagt und die ehemaligen Besatzer in einen achtzig Jahre dauernden Befreiungskampf verwickelt, der erst 1648 endete. Im Westfälischen Frieden schieden die Niederlande dann offiziell aus dem Verband des Heiligen Römischen Reiches aus.

Die Absicht, den Handel der Niederlande entscheidend zu schwächen stellte jedoch nur einen Teil des Projektes dar. Von ähnlich großer Bedeutung war die Schaffung eines gegen Norden gerichteten Bollwerkes, dass die Niederländer von Einfällen ins Rheinland abhalten sollte. Es wurden in regelmäßigen Abständen 24 Erdschanzen errichtet, die eine Verteidigung des Bauwerks gewährleisten sollten.

Skizze des Verlaufs der Fossa Eugeniana zwischen Rheinberg und Venlo

Am 21. September des Jahres 1626 begannen die Arbeiten mit einem für die damalige Zeit gigantischen Aufgebot von Helfern. Ein Graf von Scheerenberg machte im Namen des Königs von Spanien, der Statthalterin der Niederlande und des Heerführers Ambrogio di Spinola die ersten drei Spatenstiche. Ihm folgte der Graf von Isenburg und das gesamte anwesende Offizierskorps. Mehr als 8000 Facharbeiter, Tagelöhner und Soldaten erreichten bereits nach zwei Monaten die Stadt Geldern, was ungefähr der Hälfte der Strecke von knapp 50 Kilometern entsprach.

Jean Charles Francois le Baron de Ladoucette, ehemaliger Präfekt des Departements Rur in Aachen beschrieb anlässlich einer Reise an den Niederrhein im Jahre 1813/1814 die damals noch weitgehend sichtbaren Ausmaße des Kanals. Er beschrieb die Ausmaße des Kanals mit einer Länge von 22 Leugen (ca. 50 KM), einer Breite von sechs Klaftern (ca. 10 m) und einer Tiefe von fünfzehn Fuß (ca. 4 m).

Das Kanalbett in der Landschaft

Es waren drei Schleusen geplant, deren Aufgabe es war, Höhenunterschiede auszugleichen und den Kanal mit dem Wassern von Niers und anderen Bächen zu speisen. Im Gegensatz zu den meisten vorgesehenen Schanzen wurden die Schleusen bis auf die in Rheinberg jedoch nicht fertiggestellt.

Die Schleusenkammer in Rheinberg

Den Schanzen bekam schon während der Entstehungszeit des Kanals die Aufgabe zu, die Arbeiten zu schützen und etwaige Angriffe seitens der Generalstaaten aufzuhalten. Der Prinz von Oranien sammelte nach Beginn der Aushebungsarbeiten eine größere Streitmacht bei Nijmegen. Ladoucette spricht von 400 Infanteristen und einige Züge Kavallerie (Fähnlein). Mit Feldgeschützen und Proviant für mehrere Tage versehen, unternahm er zwei Überraschungsangriffe. Es gelang ihm, die “beste“ Redoute und mehrere halbfertige Schleusen zu zerstören. Zusätzlich verwüstete er weitere Stellungen, Deiche und Mühlen. Während er die erbeuteten Kupferkanonen des Oberkommandierenden Mansfeld beim Rückzug in die Generalstaaten mitnahm, ließ er die erbeuteten Werkzeuge verbrennen.

Schanze 18 hinter der heutigen niederländischen Grenze zwischen Straelen und Arcen

Die Spanier (Spinola) ließen sich jedoch nicht entmutigen und verstärkten die Sicherungen durch 3000 zusätzliche Pioniere. Gegen Ende Juni des Jahres 1627 kam die Infantin Isabella Clara Eugenia, um gemeinsam mit Spinola und anderen Angehörigen der Generalität den Fortschritt der Arbeiten zu begutachten. Eine Antwort der Niederländer ließ nicht lange auf sich warten. Mitte August zog ein Hauptmann Wolf mit 1000 Füsilieren vor eines der wichtigsten Forts und nahm es ein. Die Baracken der Kanalarbeiter ließ er verbrennen und kehrte unbehelligt mit zwei Beutekanonen und mehreren Gefangenen zurück.

Das Ergebnis des neuerlichen Einfalls war ein momentaner Stopp der Arbeiten, die im Januar 1628 wieder aufgenommen wurden. Ein weiterer Angriff auf die Baustelle (1629) und die späteren Eroberungen von Wesel, Büderich, Rheinberg (1635) und Venlo (1632) brachten eine weitere Unterbrechung und schließlich die endgültige Einstellung aller Arbeiten.

Friedrich der Große lehnte nach dem Siebenjährigen Krieg (1764) eine Fertigstellung des Kanals mit dem Argument ab, dass es jetzt „besseres zu tun gebe“. Es blieb schließlich Napoleon zweihundert Jahre später vorbehalten (1809/10), den Schlussabschnitt der Fossa nördlich von Venlo in den „Grand Canal Du Nord“ einzubeziehen. Auch hier kam es nicht zur Fertigstellung des Projektes.

Anders als beim Napoleonskanal kann die Fossa Eugeniana in vielen Teilstücken besichtigt werden. Von den Schleusen ist die bei Rheinberg erhalten geblieben. Über mehrere hundert Meter ziehen sich die gemauerten Wände von Kanaleinfassung und Schleusenkammer durch die Landschaft (Rheinstraße) im Norden der Stadt. Lediglich die Staustufe des Schleusenwehrs musste aus Gründen des Naturschutzes in eine Fischtreppe umgewandelt werden (Kaskaden). Wegen einer Verlagerung des Rheinbettes war der direkte Zugang zum Strom zur Zeit der Kanalerbauung wesentlich kürzer. An der Grenze bei Straelen und auf der niederländischen Seite haben sich weite Teile des Kanalbettes vorzüglich erhalten. Aber auch sonst kann man mit geübtem Auge leicht dem Verlauf der Wasserstraße folgen. Von den Verteidigungswerken sind viele im Laufe der Jahrhunderte eingeebnet worden. Besonders gut haben sich die Erdwerke an der niederländischen Grenze (Doppelschanze 18/Maasduinen) und beim Kloster Kamp (Schanze 6) erhalten.