Die Gladiatur

Erkenntnisse, Irrungen und Missverständnisse

Autor:  Svenja Fabian

Gladiatoren kennt man aus Asterix-Heften und Filmen. Dieser Beitrag fasst Erkenntnisse, Missverständnisse und Irrungen zusammen.


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Fast jeder hat eine ungefähre Idee davon, was Gladiatoren waren: römische Kämpfer, die in Arenen wie z. B. dem Colosseum gekämpft haben, um die Bevölkerung zu unterhalten. Meistens kommt die Kenntnis darüber aus Comicbüchern wie z. B. Asterix oder Hollywood-Filmen und TV-Serien. Dadurch sind viele falsche Vorstellungen über Gladiatoren entstanden.

Der Ursprung der Gladiatorenkämpfe

Selbst die Römer dachten, dass die Gladiatorenspiele aus Etrurien stammten. Der im 3. Jh. n. Chr. lebende Schreiber Athenaios, der in seinem Werk Deipnosophistai (Gastmahl der Gelehrten) allerlei Fragmente von früheren Autoren zitiert, führt Nicolaos von Damascus auf, der im 1. Jh. n. Chr. geschrieben hat, dass die Römer die Tradition der Gladiatorenkämpfe von den Etruskern übernommen haben. In der Tat stammt das Wort lanista für den Manager einer Gladiatorenschule aus dem Etruskischen. Es bedeutet Henker. Auch die Figur des Charon, der tote noxii (Verurteilte) aus der Arena wegschleppt, ist etruskischen Ursprungs.

Wenn wir uns aber die etruskische Ikonographie angucken, finden wir dort keine Abbildung von Duellen, nur die von dem sogenannten phersu-Spiel, wobei es sich um eine Hinrichtungsart handelte. Das war aber kein Duell von zwei Kämpfern mit ausgewogenen Chancen zu gewinnen. Solche Exekutionen wurden später, im 1. Jh. n. Chr., ein fester Bestandteil eines munus, wie die Veranstaltung genannt wurde, zu der auch die Gladiatorenkämpfe gehörten.

In Kampanien wurden die Gräber wohlhabender Menschen mit Fresken bemalt, auf denen Duelle von gleichbewaffneten Kämpfern zu sehen sind. Die bekanntesten sind die Gräber aus Paestum aus dem 4. Jh. v. Chr. Die Kämpfer waren mit Schild und Speer ausgerüstet und fochten zur Ehre des Verstorbenen [Abb. 1]. Das vergossene Blut sollte die Seele des Verstorbenen besänftigen.

In dieser Region finden wir auch die ersten (steinernen) Amphitheater und die ersten und später auch berühmtesten Gladiatorenschulen. Außerdem ist einer der ältesten Gladiatorentypen, der samnis, nach dem Volk der Samniten benannt, welches in Kampanien wohnte. Aus einer der kampanischen Schulen, der von Gaius Batiatus in Capua, sind Spartacus und seine Kameraden im Jahr 73 v. Chr. entkommen.

Wenn man das o. g. in Betracht zieht, sieht es so aus, als ob der Ursprung der Gladiatorenkämpfe nicht mehr festgestellt werden kann. Vielleicht war es eine Mischung von verschiedenen kulturellen Einflüssen.

Die Reform des munus

Kaiser Augustus reformierte den munus legitimum mit venationes (Tierhetzen) am Morgen, Hinrichtungen von noxii am Mittag und als Höhepunkt die Gladiatorenkämpfe am Nachmittag. In Hollywoodfilmen werden diese Elemente miteinander vermengt. So ist im Blockbuster Gladiator aus dem Jahr 2000 ein Gladiatorenkampf zwischen der Hauptperson Maximus und seinem Gegner Tigris zu sehen, wo auch noch Tiger in die Arena losgelassen werden.

Massenkämpfe sind ein weiteres beliebtes Element von Hollywoodfilmen, wo u. a. auch in Gladiator einige zu sehen sind. Diese Massenkämpfe, gregatim genannt, gab es durchaus, aber sie waren selten. Sueton beschreibt einen solchen Kampf, wo fünf retiarii (Netzkämpfer) gegen fünf secutores (Verfolger) antraten (Caligula 30).

Der Gruß „Morituri te salutant

In den Asterix-Heften und in Filmen, aber leider auch in TV-Dokumentationen, sieht man oft, dass die Gladiatoren in die Arena einmarschieren und vor der Loge des Kaisers (oder Ausrichters der Spiele) halt machen, um ihn mit den berühmten Worten morituri te salutant („die Todgeweihten grüßen dich“) zu begrüßen. Diese Begrüßung wurde von zwei antiken Autoren erwähnt: Sueton (Claudius 21.6 und Cassius Dio (61[60].33.3, die beide dasselbe Ereignis beschreiben: eine durch Kaiser Claudius ausgerichtete naumachia (Seeschlacht) auf dem Fuciner See.

Bei den Kämpfern handelte es sich um zum Tode verurteilte noxii, die eine Seeschlacht zwischen den Rhodiern und Sizilianern nachspielen mussten. Als der Kaiser mit diesen berühmten Worten begrüßt wurde, soll er aut non (oder nicht) geantwortet haben, was die Kämpfer als Begnadigung auffassten. Das war aber nicht der Fall und Claudius befahl ihnen zu kämpfen.

Dieser Satz wurde also folglich von noxii ausgesprochen, die in der Tat bei dem Gefecht sterben sollten. Für Gladiatoren, die eine Chance hatten zu überleben, selbst wenn sie verloren hatten, hätte dieser Satz keinen Sinn gemacht.

Kampf bis zum Tod

Hollywood-Filme erwecken den Eindruck, dass der unterlegene Gladiator immer sterben muss. Das war aber im alten Rom definitiv nicht der Fall, denn dafür war ein Gladiator viel zu wertvoll. Die Unterbringung, das Trainieren, Essen geben und die medizinische Versorgung kosteten Geld. Für jeden gefallenen oder schwer verwundeten Gladiator stellte der lanista, der seine Gladiatoren an den munerarius (Ausrichter der Spiele) vermietete, den Ankaufspreis als Kompensation für seine Investition in den Fechter in Rechnung.

Der gebräuchliche Typ munus war der ad digitum (bis zum Finger), wobei einer der Kämpfer mit seinem Finger ein Zeichen gab, dass er aufgeben will. Der munerarius musste entscheiden, ob er die missio (lebend die Arena verlassen) an den unterlegenen Gladiator geben will, weil er gut gekämpft hat und die römische Tugend des virtus gezeigt hat oder ob er ein Feigling war und deshalb den Todesstoß verdient hat. Es war auch möglich, dass beide Gladiatoren ebenbürtig waren und es zu keiner Entscheidung kam. Dieses war der Fall bei dem Kampf zwischen Priscus und Verus bei der Einweihung des Colosseums, wie Martial geschrieben hat (De spectaculis 27) und bei den Gladiatorinnen Amazon und Achillia, deren Kampf auf einem Relief aus Halicarnassus (das heutige Bodrum in der Türkei) erhalten geblieben ist.

Es gab aber auch Kämpfe sine missione, was bedeutete, dass der unterlegene Gladiator sterben muss und ihm nicht die missio zuerkannt werden durfte.

Daumen hoch, Daumen runter

Das berühmte Gemälde von Jean-Leon Gerome, auf dem ein siegreicher Gladiator neben seinem unterlegenen Gegner steht, heißt pollice verso („gedrehter Daumen“). Der Ausdruck pollice (con)verso kommt in der römischen Literatur zweimal vor, aber es ist undeutlich, in welche Richtung der Daumen gedreht ist. Gerome zeigt in seinem Gemälde die Vestalinnen, die in der ersten Reihe sitzen und den Daumen nach unten gedreht haben. Hollywood übernahm diese Interpretation von dem Gemälde: Ein nach unten gedrehter Daumen soll bedeuten, dass der Tod des unterlegenen Gladiators gewünscht war. Der nach oben gedrehte Daumen war dann das positive Zeichen, so wie in unserer heutigen Zeit.

Tatsächlich geben die Quellen aber keinen deutlichen Hinweis, was das Zeichen für Tod oder missio wirklich war. Der Redner Quintilianus spricht von einer rhetorischen Geste, welche er einen pollice infestio nennt, einen feindlichen Daumen. Der Gelehrte Anthony Corbeill nimmt an, dass das Zeichen für den Tod von einem unterlegenen Gladiator nicht der runtergedrehte Daumen ist, wie im Allgemeinen angenommen, sondern das Gegenteil: ein Daumen, der nach oben weist.

Leider wissen wir auch nicht, was das Zeichen für das Gewähren der missio war. Ludwig Friedländer schlägt in seiner Sittengeschichte Roms vor, dass das Wedeln mit der mappa, der Serviette, worin das Publikum Essen ins Amphitheater mitgenommen hat, ein Zeichen für das Gewähren der missio war. Die Meinung konnte das Publikum aber auch mit Rufen kundtun, so wie Martial es in seinem Epigramm über Priscus und Verus in seinem Liber de Spectaculis beschreibt.

Gladiatorinnen und Zwerge

Es steht fest, dass es weibliche Gladiatoren gab, denn darüber gibt es genug literarische und archäologische Quellen. Ein diskussionswürdiger Punkt bleibt weiterhin, ob sie mit blanker Brust kämpften, um das männliche Publikum zu erregen, wie die Gelehrte Kathleen Coleman behauptet, oder ob sie ein strophium (Brustband) trugen, ähnlich wie die sogenannten „Bikinimädchen“ auf dem berühmten Mosaik aus Piazza Armerina.

Lange Zeit glauben die Wissenschaftler, dass Kaiser Domitian Frauen gegen Zwerge kämpfen ließ bei seinen Saturnalienspielen. Der kanadische Gelehrte Stephen Brunet betrachtete die Quellen genauer und kam zu dem Schluss, dass es sich um einzelne Programmpunkte handelte: ein ernster Gladiatorenkampf zwischen Frauen, gefolgt von einer Boxshow von Zwergen, die eher der Erheiterung dienen sollte.

Literatur

  • Brunett, Stephen: Female and Dwarf Gladiators, in: Mouseion XLVIII – Series III, Vol. 4, 2004, pp. 145-170.
  • Coleman, Kathleen: Misso at Halicarnassus, in: Harvard Studies in Classical Philology Vol. 100, 2000, pp. 487-500.
  • Corbeill, Anthony: Thumbs in Ancient Rome: Pollex as Index, in: Memoirs of the American Academy in Rome 42, 1997, pp. 1-21.
  • Fabian, Svenja and Wim van Broekhoven: Pollice Verso – Hand Signs in the Arena, in: Ancient History 33 (forthcoming), 2021.
  • Futrell, Alison: The Roman Games – A Sourcebook, Oxford 2006.
  • Grosser, Svenja: Fight to the Draw – Female Gladiators, in: Ancient History 6, 2016, pp. 5-6.
  • Matyszak, Philip: Gladiator – The Roman Fighter’s (unofficial) Manual, London 2011.
  • Meijer, Fik: Gladiatoren – Volksvermaak in het Colosseum, Amsterdam 2003.
  • Ville, Georges: La gladiature en Occident des origins à la mort de Domitien, Rome 2014

Die einzelnen Passagen des Artikels sind ursprünglich auf Niederländisch auf der Seite Grondslagen erschienen.

http://grondslagen.net