Die Barbarossamauer
Fortis Urbs Aquensis 2
Autor: Michael Kuhn
Die Barbarossamauer: Aachen erste vollständige Stadtumwallung. Initiiert von Friedrich I. Barbarossa wurde die erste Stadtmauer ab dem Jahr 1171 errichtet. Das ambitionierte Bauwerk sollte seine Aufgaben zuerst als alleinige Befestigung und später als zweite Umwallung über mehrere Jahrhunderte hinweg erfüllen. Der Bericht gibt einen Überblick über Funktion und Aufgaben der ursprünglichen Wehrmauer und führt anhand einer anschaulichen Fotodokumentation zu den noch heute erhaltenen Relikten des für seine Zeit monumentalen Bauwerks.
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Aachens Rolle als dauerhafte Residenz des Karolingerreiches endete bereits unter Ludwig dem Frommen in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts. Der enorme Schub, den die Stadtentwicklung unter Karl dem Großen erfahren hatte, fand unter seinen Nachfolgern ein schnelles Ende. Ob die Normanneneinfälle zum Ende des 9. Jahrhunderts dabei eine entscheidende gespielt hatten, bleibt dahingestellt. Selbst die Entwicklung zum Krönungsort, die mit der Krönung Ottos I. im Jahre 936 eine beinahe 6oo-jährige Tradition begründete, brachte vorerst keinen Aufschwung. Die vorhandenen karolingischen Großbauten wie die Königshalle auf dem Markthügel und die Marienkirche (der heutige Dom) reichten offenbar aus, um die in unregelmäßigen Abständen stattfindenden Feierlichkeiten ordnungsgemäß durchführen zu können. Die Mauern des Kastells und weitere römische Gebäude wurden nach Aussagen der Archäologie bis ins 12. Jahrhundert bewohnt oder anderweitig genutzt.
Erst die Regierungszeit Friedrichs I. Barbarossa brachte einen immensen Bedeutungszuwachs für die weiteren Geschicke Aachens. 1166 wurden der Stadt umfangreiche Münz-, Markt- und Stadtrechte verliehen. Anlass war sicherlich die im Jahre 1165 von Barbarossa erreichte Heiligsprechung Karls des Großen, die seinem Reich und der Dynastie der Staufer einen bedeutenden Prestigegewinn bescherte. Geknüpft waren die Gunsterweisungen des Kaisers allerdings an die Auflage, die Stadt innerhalb der nächsten Jahre mit einer mächtigen Stadtmauer zu versehen. Die damals noch vieler Orts präsenten Relikte des römischen Aachens wurden „abgeräumt“ und durch einen großzügigeren Stadtentwurf ersetzt.
Mit dem Bau der Stadtmauer wurde im Jahre 1172 begonnen und es sollte Jahrzehnte dauern, bis das ambitionierte Großprojekt fertiggestellt wurde. Nach Auskunft der Chronisten waren 1248 einige Stellen der Umwallung immer noch nicht als feste Steinmauer ausgebaut. Erdwälle, Gräben und Palisaden mussten hier genügen, um sich der Belagerung Wilhelms von Holland zu erwehren. Den Fall der Stadt nach 6-monatiger Belagerung verschuldete jedoch eine gezielte Überflutung des Stadtareals durch die Anlage eines Dammes und nicht die nur notdürftig gesicherten Lücken der steinernen Umwehrung.
Übersichtsplan der Barbarossamauer in der Aachener Innenstadt mit Türmen und Stadttoren.
Zu den bautechnischen Daten des Großprojektes:
Der Mauerring hatte eine Länge von 2480 Metern, wobei die Mauerstärke zwischen 1,50 m und 2,50 m schwankte. Die Höhe der Mauer wird mit ca. 8 – 10 m angegeben. Verstärkt wurde der Wall durch ca. zehn in unregelmäßigen Abständen errichtete Türme und acht bis zehn Stadttore, die als Vierecktürme konzipiert waren. Eine Ausnahme bildete wahrscheinlich das mit zwei Tortürmen gesicherte Scherptor. Namentlich bekannt sind als Hauptzugangswege das Kölnmitteltor, das Marschiermitteltor, das Pontmitteltor und das Königsmitteltor. Den Zusatz „Mittel“ erhielten die Tore nach der Errichtung der zweiten Stadtmauer im 13. Jahrhundert und der damit notwendigen Anlage weiterer Tore gleichen Namens. Hinzu kamen noch Besterdertor, Harduinstor, Neutor (Neupforte), Scherptor und Ursulinertor. Errichtet wurden die Mauern zweischalig mit einem Gusskern aus Mergel und Mörtel. Die beiden Mauerschalen wurden aus rechteckigen Kalksteinquadern jeweils einige Lagen hochgemauert und mit dem Gemisch aus Mörtel und Gesteinsbrocken verfüllt. Nach dem Abbinden und Aushärten des Mörtels wurde die Prozedur so oft wiederholt, bis die geplante Höhe erreicht war. Über die Art der Zinnen und Wehrgänge auf der Mauerkrone kann nur spekuliert werden. Es liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor.
Zuerst werden sicherlich die viereckigen Tortürme und die Türme in Stein errichtet worden sein. Eine Ausnahme bildete das Scherptor, das wohl über zwei Tortürme verfügte. Die Zwischenräume wurden vorläufig mit Erdwällen, Graben und Palisaden gesichert. Nach und nach wurden die provisorischen Wälle dann durch die oben beschriebene feste Mauer ersetzt, was mehrere Jahrzehnte gedauert haben muss. Gesichert wurden Mauern, Tore und Türme durch einen vorgelagerten Graben gesichert. Am Templergraben konnte sogar die Anlage einer Konterescarpe (gemauerte äußere Grabenböschung) untersucht und erhalten werden. Bei einer Tiefe von fünf und einer Breite von 25 Metern wird der Graben ein imponierendes Annäherungshindernis dargestellt haben. Dort, wo es möglich war (Ostseite), wurden die Wasser von Pau und Johannisbach in den Graben geleitet, was seine Überwindung im Belagerungsfall erschwerte. Jenseits des Grabens waren die Haupttore zusätzlich mit Barbakanen (Vorwerke auf der anderen Grabenseite) gesichert.
Fünfzig Jahre nach der Fertigstellung wurde bereits an der zweiten Stadtmauer gebaut, da sich die dicht bebaute Kernstadt auf Bereiche vor den Toren auszudehnen begann. Was aber nicht heißen soll, dass die Barbarossamauer unnütz geworden wäre. Über Jahrhunderte hinweg verfügte Aachen über eine doppelte Umwallung, die ein Eindringen in die Stadt fast unmöglich machte. Einige Tore wurden erst im 18. Jahrhundert abgebrochen und große Teile der Mauern sind inzwischen wieder sichtbar oder in spätere Gebäude integriert erhalten.
Im Folgenden werden anhand einer beschrifteten Bilderfolge die meisten der heute noch sichtbaren Relikte der Barbarossamauer vorgestellt. Der im Uhrzeigersinn beginnende Rundgang nimmt seinen Anfang am Standpunkt des ehemaligen Pontmitteltores.
Ein großes noch aufrechtstehendes Stück der Mauer im Bereich Templergraben / Driescher Gässchen (Restaurant und Biergarten Magellan).
Durch eine Hofeinfahrt gelangt man an ein großes Mauerstück im Bereich des Seilgrabens.
Ein weiteres Stück der Mauer hat sich im Bereich der Neupforte (Neutor) erhalten. Zugänglich ist dieser Abschnitt durch die Toreinfahrt der Turnhalle Minoritenstraße.
An der Einfahrt zum Parkhaus Großkölnstr. Am Seilgraben haben sich zu beiden Seiten der Zufahrt bedeutende Mauerreste erhalten.
Im Bereich Elisenbrunnen / Hartmannstraße ist der Mauerverlauf ein großes Stück weit im Straßenbelag sichtbar gemacht. Hierbei wird deutlich, dass die Rückwand der unter Couven erbauten Trinkhalle auf den Resten der Barbarossamauer steht.
Ein weiteres Stück der Mauer wurde gegenüber dem Stadttheater (Theaterplatz) anlässlich einer Neubaumaßnahme kurzfristig freigelegt.
Ein Mauerstück der Barbarossamauer ist am Hans-Stercken-Platz (Höhe Alexianergraben vor der Annaschule) zu sehen.
Im Hinterhofbereich des Karlsgrabens (Alnatura) wurde ein bedeutender Abschnitt der Barbarossamauer freigelegt.
Ein großes und perfekt restauriertes Mauerstück hat sich am Templergraben Ecke Eilfschornsteinstraße erhalten.
Das archäologische Fenster am Templergraben bietet einen ungeahnten Blick auf die der Mauer gegenüberliegenden Konterescarpe (Hangbefestigung des vorgelagerten Grabens).
Zurück am Ausgangspunkt lädt der Biergarten des Magellans zu einer wohlverdienten Pause im Schatten der Barbarossamauer ein.
Bericht
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