Eine Baumgrube auf dem Katschhof-

Tiefe Einblicke in das mittelalterliche Aachen

Der Blick auf und in die Grabungsfläche.

Foto mit freundlicher Genehmigung von Andreas Schaub (Stadtarchäologie Aachen).

Autor: Michael Kuhn M.A.

Kurz vor der Eröffnung des Aachener Weihnachtsmarktes wartete der Katschhof in der Aachener Innenstadt mit einer vorweihnachtslichen Überraschung auf. Die Stadtarchäologie um Andreas Schaub und sein Team vom AAA gelang es in witterungsbedingt mühevoller Kleinarbeit der Aachener Stadtgeschichte ein weiteres Puzzlestück hinzuzufügen.


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Wer in den letzten Wochen dem Katschhof in der Aachener Innenstadt einen Besuch abstattete, dem dürfte das Treiben der Stadtarchäologie am Rande des herbstlichen Platzes kaum entgangen sein. Vorher stand an dieser Stelle an der Verbindung zur Krämerstraße eine 120 Jahre alte, mittlerweile kranke Kastanie, die aus Sicherheitsgründen gefällt werden musste. Eine Gelegenheit für die Stadtarchäologie, an dieser Stelle einen Blick in die Vergangenheit zu werfen, bevor an gleicher Stelle ein neuer Baum gepflanzt wird. Sofern es das Wetter zuließ arbeiteten sich der Stadtarchäologe Andreas Schaub und seine ehrenamtlichen Helfer vom AAA (Arbeitskreis Archäologie Aachen) auf einer Fläche von annähernd 4 x 2 m Zentimeter für Zentimeter in die Vergangenheit hinab. Was sie dort in mühevoller Kleinarbeit freilegten, wird einige Vermutungen bestätigen und noch mehr Fragen aufwerfen. Was an Antworten zu erwarten ist, wird die Auswertung tausender, teilweise kleinteiliger Funde zeigen.

Gesichert sind jedoch erste Erkenntnisse, die anhand der vor Ort aufgedeckten Befunde erbracht wurden. Überraschend war die Auffindung einer frühmittelalterlichen Bruchsteinmauer, die auf ein bis dahin unbekanntes mutmaßliches Pfalzgebäude hinweist. Mit einem solchen Bau zwischen Dom und Rathaus war laut dem Stadtarchäologen Andreas Schaub nicht zu rechnen gewesen. Vielleicht steht der Befund sogar im Kontext zum früheren Nordannexbau des Domes. Unklar ist noch das genaue Alter der imposanten Überreste: Von Pippin, dem Vater Karls des Großen bis zur spätkarolingischen Zeit ist alles möglich. Sicher ist nur, dass dieses Gebäude im frühen 12. Jahrhundert bei der Erweiterung Aachens und der Anlage des heutigen Platzes abgebrochen wurde. Vielleicht werden zukünftige Erdaufschlüsse dazu beitragen, das Rätsel vollständig zu lösen.

Die sich neben der Mauer erstreckenden Oberflächenschichten des ehemaligen Platzbelages konnten anhand von Keramik- und anderen Funden ebenfalls in das frühe 12. Jahrhundert und darauffolgende Epochen datiert werden. Eine hundertfünfzig Jahre jüngere Schwemmschicht deutet auf ein wichtiges und bisher kaum dokumentiertes, dramatisches Ereignis der Aachener Stadtgeschichte hin. Wilhelm von Holland, der Gegenkönig Friedrichs II. wollte sich in Aachen zum König krönen lassen, was die Bürgerschaft jedoch mit allen Mitteln zu verhindern suchte. Die Belagerer errichteten deswegen einen Damm, der die Wasser von Pau, Paunell und des Johannisbachs aufstauen sollten, um die Stadt zum Aufgeben zu zwingen. Das Unternehmen setzte große Teile der heutigen Innenstadt unter Wasser, was bis heute zwar schriftlich belegt, aber archäologische nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte. Die Grabung brachten eine mehrere Zentimeter dicke Schwemmschicht ans Tageslicht, die in die in Frage kommende Zeit des frühen 13. Jahrhunderts datiert werden kann.

Weitere Funde wie frühmittelalterliche Mosaiksteine, Bergkristallsplitter einer örtlichen Verarbeitungsstätte und Abfälle von Knochenschnitzereien weisen auf einen sakralen Hintergrund im direkten Umfeld der Marienkirche, des heutigen Doms hin. Bei dem Knochenfragment handelt es sich um eine mehrfach durchbohrte Knochenplatte. Aus den dadurch gewonnen beinernen Scheiben wurden die Kugeln von Rosenkranzketten gedrechselt. Die Bergkristallsplitter könnten vielleicht bei der Herstellung von Sichtfenstern oder Schmucksteinen für Reliquienbehältnisse angefallen sein. Münzen, Knochen, Metallgegenstände und Keramikfragmente aus vielen Jahrhunderten komplettieren das Fundspektrum der Grabung.

Die parallel zur Grabung stattfindenden Aufbauarbeiten des Weihnachtsmarktes setzten der Grabungstätigkeit ein vorläufiges Ende. Im neuen Jahr, wenn die Buden wieder abgebaut sind, wird die Fortführung der archäologischen Maßnahme möglich sein. Bis dahin werden Planen und eine Sandverfüllung den bisherigen Grabungsbefund bis zur Wiederaufnahme der Arbeiten sichern.

Handwerkliche Produktionsreste einer mittelalterlichen Knochenschnitzerwerkstatt. Die kreisrunden, beinernen Ausschnitte wurden wohl zur Herstellung von Rosenkränzen beutzt.

Foto mit freundlicher Genehmigung von Andreas Schaub (Stadtarchäologie Aachen).

Ein frühmittelalterlicher Mosaikstein.

Foto mit freundlicher Genehmigung von Andreas Schaub (Stadtarchäologie Aachen).