Prospektion in Aachen

Bericht über eine Feldbegehung des Arbeitskreises Archäologie der Laurensberger Heimatfreunde über den Wilkensberg in Aachen-Laurensberg (NW 2008/0104) am 30.03.2008

Autor: Dietmar Kottmann

Dieser Artikel zeigt die Durchführung einer Feldbegehung (Prospektion) am Wilkensberg in Aachen.


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I. Vorbemerkung:

Der Wilkensberg ist ein langezogener Höhenrücken, der westlich vom Wildbach, nördlich vom Septfontainesweg, östlich von der Steinbachstraße und nach Süden vom Rabentalweg eingefaßt wird. An der westlichen Hangkante ist in den 60er Jahren ein Gehölzstreifen angepflanzt worden, der das seit damals entstehende Hochschulerweiterungsgebiet optisch gegenüber einer Sicht vom Schneeberg oder von Seffent aus abdecken soll. Der sich nur sacht abhebende Kamm des Wilkensbergs verläuft etwa parallel zum westlichen Gehölzstreifen. Nach Westen fällt das Gelände etwas steiler ab. Nach Osten zu läuft der Hügel sacht aus. Derzeit befindet sich ein Bebauungsplan für das „Hochschulerweiterungsgebiet II“ in Aufstellung, dessen Verfahrensgrenzen in dem nachfolgenden Ausschnitt aus Google – Earth in etwa mit rot markiert sind. Eine erste kurze Begehung in Form einer Schleife, wie sie in gelb in dem nachfolgenden Luftbild eingetragen ist, erbrachte Anhaltspunkte für das Bestehen eines Fundschleiers auf dieser Fläche.

Die Heimatfreunde beobachten die Entwicklung in diesem Ortsteil1 aufmerksam im Hinblick auf archäologische Spuren, die zu der urkundlichen Überlieferung passen könnten. Die urkundlichen Erwähnung der „curtis indominicata septem fontes“ (Saalhof Seffent) in einer Königsurkunde des Jahres 896 (Schenkung König Zwentibolds an seine Nichte Gisela, Äbtissin von Nivelles) wurde erstmals beim Tag des Offenen Denkmales 19962 gewürdigt. Das hohe Alter der ehemaligen Höfe Gut Neuenhof, Gut Kullen und Gut Melaten (vormalige Leproserie) haben wir bei der Begehung der Grenzen Laurensbergs Anfang der 90er Jahre3 festgestellt. Am 30.03. 2008 wurde daher eine 2stündige Feldbegehung mit 3 Personen (die Unterzeichner) durchgeführt. Zuvor erhielten wir von unserem Mitglied, dem Landwirt Jakob Grooten, den Hinweis, dass beim Bau des Klinikums Mutterboden abgeschoben worden und großflächig an der Südwestseite des Wilkensberges aufgetragen worden sei. Der Wilkensberg besteht aus Mergelgestein, das gerade im Bereich der Hügelkuppe bzw. des Hügelkammes ähnlich wie der Weißenberg und der Schneeberg nur von einer dünnen Erdschicht bedeckt ist. Bei Trockenheit sehen die Äcker daher von weitem betrachtet weiß aus. Auf dem Luftbild ist die Ausdehnung der Anschüttung im südwestlichen Bereich an der dunkleren Färbung deutlich zu erkennen.

II. Die Lesefunde

(Die Fundliste beruht auf der Fundautopsie von W. Giertz am 2. April 2008)

Römisch

– 4 Ziegelfragmente (2 Tegulae, 2 Imbrices (?))
– 1 WS, rwW

Frühmittelalterlich

– 1 RS, Drehscheibenkugeltopf, steinzeugartig hart gebrannt, Badorf-Typ, 2.H.9.Jh.

Hochmittelalterlich

– 1 WS, gelbe IW, wohl Südlimburg, 11./12.Jh.

Spätmittelalterlich

– 1 WS, Faststeinzeug, geflammt, 14.Jh.
– 1 RS, Faststeinzeug mit violettbrauner Sinterengobe, Wolfszahnrollst.dekor, westl. Rhl/Südlimburg, 14.Jh.
– 4 WS, Faststeinzeug, violettbraune Sinterengobe, westl. Rhl./Südlimburg, 14.Jh.
– 2 HS, bleiglas. IW, von Grapen, wohl Aachen, 15. Jh.
– 1 RS, gelbe, rotbraun engobierte IW, umgeschl. Dreiecksrand von Tüllentopf/Grapen, westl. Rhl./Aachen/Raeren, Ende 14./1.H.15.Jh.

Frühneuzeitlich

– 1 WS, gelbe IW, innen und außen opake, fein gesprenkelte violettbraune Bleiglasur, von steilwandigem Gefäß (Albarello?), höchstwahrscheinlich niederländische Majolika (Antwerpen ?), 2.H.16.Jh. (Ware im Rheinland äußerst selten!)

– 1 RS, Steinzeug, braune Salzglasur, flauer Dornrand von Krug, Aachen/Raeren, Ende 15./1.H.16.Jh.
– 1 WS, dito
– 4 BS, Steinzeug, Aachen/Raeren, 2.H.16./Anfang 17.Jh.
– 2 WS, dito
– 1 HS, dito
– 2 RS, Steinzeug, Blauwerk, Aachen/Raeren, 17.-18.Jh.
– 3 BS, dito
– 8 WS, dito
– 2 RS, Steinzeug, von Schilderbaare, Langerwehe, 17.-19.Jh.
– 1 HS, dito
– 2 WS, dito
– 2 RS, bleiglasierte IW, Aachen/Maas, 16.-19.Jh.
– 2 BS, dito
– 8 WS, dito, z.T. mit Resten von Malhorndekor
– 1 RS, Porzellan, China, innen kobaltblau bemalt mit brauner Außenglasur von Koppchen, Periode Kangxi (spät), 1.H.18.Jh.
– ferner zahlreiche Reste von neuzeitlichen Selterswasserflaschen, Porzellan, Steingut, Glas und Baukeramik (Feldbrandziegel-, Hohlpfannen- und moderne Bodenfliesenfragmente)

Die eher rezenten Fundstücke sind nachfolgend zusammenfassend wiedergegeben.

Am 30.3.2008 wurden zwei Schlacken abgelesen.

In der Nachlese vom 6.4.2008 wurden im gleichen engen Fundbereich am östlichen Rand des südlichen Ackers weitere 5 Eisen – Schlacken abgesammelt. Die Funde lagen relativ dicht beieinander in einem Bereich von ca. 5 x 8 m. Dieser liegt in gedachte senkrechter Linie von der mittleren Bauflucht der ehemaligen Baubaracke in Richtung auf den Ackerrand.

Die Silex-Fundstücke wurden danach sortiert, ob uns eine menschliche Bearbeitung wahrscheinlich schien – sowie nach Materialbeschaffenheit (grauer Silex vom Lousberg oder Vetschauer Berg, schwärzlicher Silex aus Maasschotterterassen [?]):

III. Vorgehensweise

Das Gelände wurde von Süden nach Norden im südlichen Teil mit einem Abstand von ca. 5 m voneinander begangen.
Nachdem festgestellt wurde, dass der aufgeschüttete Teil der Äcker insgesamt nur wenig und dazu kaum ältere Funde enthielt, wurde diese Fläche im weiteren Verlauf ausgespart. Aus Zeitgründen konnten die Äcker nördlich des west-östlichen Feldweges nur je 2 Mal in beide Richtungen begangen werden.

Nach unserem Eindruck gab es in der flachen Flanke des Wilkensberges an der Ostseite eine stärkere Fundhäufigkeit. Insbesondere die kleineren Scherben stammen fast ausschließlich aus diesem Bereich.

Im Hinblick darauf, dass die Begehung dazu dienen sollte, einen ersten Eindruck zu gewinnen, den man den Denkmalbehörden übermitteln konnte, und im Hinblick darauf, dass nur wenig Zeit und eine kleine Gruppe zur Verfügung standen, wurden die Funde ohne genauere Kartierung einfach abgelesen.

IV. Ergebnisse

Auch wenn einzelne der abgelesenen Funde von uns nur vorläufig bewertet werden konnten, sind wir uns nun sicher, dass mehr oder weniger dicht alle Zeitstellungen, die man aufgrund der geschichtlichen Überlieferung erwarten konnte, im Fundspektrum vertreten sind. Die römische Zeit ist bislang für den Wilkensberg noch nicht belegt, war aber aufgrund vermuteter Wegeführungen zu erwarten.

Die karolingische Scherbe passt zur urkundlichen Erwähnung des Saalhofes Seffent im Jahre 896. Die beiden Scherben hochwertiger Keramik passen dazu, dass die Burg Seffent allodiales Gut im Besitz des Aachener Stadtadels war.

Es war kaum zu erwarten, dass bei einer so sporadischen Begehung eine dichtere Abfolge vor der karolingischen Zeit und der Zeit danach bis zur frühen Neuzeit auftreten würde. Immerhin verteilt sich das Fundspektrum aber durchaus auch mit einigen Stücken über diese dünner vertretenen Zeitstellungen hinweg.

In früheren Jahren konnte aus dem Abraum der Kfz-Versuchstrecke ein Güterstein mit den Buchstaben AGS@ (vermutlich Gut Schurzelt) und ein umgepflügter Güterstein mit den Buchstaben AAD@ (Arnold Deden) an der Stelle, wo der west-östliche Feldweg auf den in der Mitte des Hochschulerweiterungsgebietes angelegten Grünstreifen trifft, geborgen werden. Der AD – Stein befindet sich derzeit im Besitz von Dr. Hermann-Viktor Johnen, einem direkten Nachfahren Arnold Dedens und der GS-Stein neben anderen Gütersteinen eingemauert in der Hofeinfahrt von Gut Neualthöfchen in Seffent. Die nördlichen Wiesen mögen also von Schurzelt aus, die Äcker auf dem Wilkensberg mögen zumindest zum Teil von Seffent aus bewirtschaftet worden sein. Ob eine Bewirtschaftung auch von Melaten aus erfolgte, bedarf noch der Klärung.

Besonders bemerkenswert unter den Funden vom Wilkensberg erscheint uns eine Scherbe vermutlich früher niederländischer (Antwerpener?) Majolika aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts mit fein gesprenkelter opaker, braunvioletter Bleiglasur auf Außen- und Innenseite, bei der es sich angesichts der Steil- und relativen Dickwandigkeit des Gefäßes möglicherweise um das Fragment eines Albarello handeln könne (Mitteilung von W. Giertz, Aachen). Die Flintstücke sind für uns nicht alle zweifelsfrei Artefakte. Die Funde aus dieser Fundgattung bedürfen noch einmal einer fachkundigeren Sichtung.

Die beiden Eisen bzw. Eisenschlacke-Stücke deuten vielleicht auf einen evtl. Rennfeuerofen hin. Einige größere Schlackenstücke sind am 30.03.2008 wegen des Gewichtes nicht mit abgesammelt worden und sollten später geborgen werden, was dann am 6.4.2008 nachgeholt wurde. Aus unserer Sicht gibt es derzeit keinen Beleg für eine Siedlungsstelle auf dem Wilkensberg.

Im Jahre 1962 sollen beim Ausheben der Baugrube für das Haus der Familie Rombach am Quellenweg ein kleiner Münzschatz (3 römische Münzen ?) gefunden und in das Museum Burg Frankenberg eingeliefert worden sein. Das Haus lag außerhalb der Siedlung Hörn etwa da, wo sich heute das WZL befindet.

Anlage:

Fundautopsie zur Prospektion auf dem Wilkensberg Aachen (Kottmann, Breuer, Schulze-Rettmer) 30. März 2008 (erstellt von W. Giertz am 6. April 2008)

Aachen, Prospektion Wilkensberg (Kottmann, Breuer, Schulze-Rettmer) im März 2008

Einzelfundliste zu FO2, zur Weitergabe in vorliegender Form an:
OA Aachen, RAB Bonn und RAB, AS Nideggen (z.Hd. P. Tutlies M.A.)

Römisch

– 4 Ziegelfragmente (2 Tegulae, 2 Imbrices?)
– 1 WS, rwW

Frühmittelalterlich

– 1 RS, Drehscheibenkugeltopf, steinzeugartig hart gebrannt, Badorf-Typ, 2.H.9.Jh.

Hochmittelalterlich

– 1 WS, gelbe IW, wohl Südlimburg, 11./12.Jh.

Spätmittelalterlich

– 1 WS, Faststeinzeug, geflammt, 14.Jh.
– 1 RS, Faststeinzeug mit violettbrauner Sinterengobe, Wolfszahnrollst.dekor, westl. Rhl/Südlimburg, 14.Jh.
– 4 WS, Faststeinzeug, violettbraune Sinterengobe, westl. Rhl./Südlimburg, 14.Jh.
– 2 HS, bleiglas. IW, von Grapen, wohl Aachen, 15. Jh.
– 1 RS, gelbe, rotbraun engobierte IW, umgeschl. Dreiecksrand von Tüllentopf/Grapen, westl. Rhl./Aachen/Raeren, Ende 14./1.H.15.Jh.

Frühneuzeitlich

1 WS, gelbe IW, innen und außen opake, fein gesprenkelte violettbraune Bleiglasur, von steilwandigem Gefäß (Albarello?), höchstwahrscheinlich frühe  niederländische Majolika (Antwerpen?), 2.H.16.Jh. (Ware im Rheinland äußerst selten!)
– 1 RS, Steinzeug, braune Salzglasur, flauer Dornrand von Krug, Aachen/Raeren, Ende 15./1.H.16.Jh.
– 1 WS, dito
– 4 BS, Steinzeug, Aachen/Raeren, 2.H.16./Anfang 17.Jh.
– 2 WS, dito
– 1 HS, dito
– 2 RS, Steinzeug, Blauwerk, Aachen/Raeren, 17.-18.Jh.
– 3 BS, dito
– 8 WS, dito
– 2 RS, Steinzeug, von Schilderbaare, Langerwehe, 17.-19.Jh.
– 1 HS, dito
– 2 WS, dito
– 2 RS, bleiglasierte IW, Aachen/Maas, 16.-19.Jh.
– 2 BS, dito
– 8 WS, dito, z.T. mit Resten von Malhorndekor
1 RS, Porzellan, China, Rand innen kobaltblau bemalt, braune Außenglasur, von Koppchen, Periode Kangxi (spät), 1.H.18.Jh.
– ferner zahlreiche Reste von neuzeitlichen Selterswasserflaschen, Porzellan, Steingut, Glas und Baukeramik (Feldbrandziegel-, Hohlpfannen- und moderne Bodenfliesenfragmente)
– ferner ca. 15 unbestimmte Silexartefakte, meist neolithisch, 1 Kratzer mglw. mesolithisch (erstellt von W. Giertz bei Fundautopsie am 2. April 2008)
Wolfram Giertz, Aachen, 6. April 2008

1. Gut Melaten und das Umfeld sind ausführlich in Heft 2/3 der Laurensberger Heimatblätter dargestellt.
2. s. Umdruck A1100 Jahre Seffent und Schurzelt@, Aachen-Laurensberg 1996 von D. Kottmann
3 S. Anm. 1