Der Lousberg
Vom Bergwerk der Jungsteinzeit zur Sommerfrische des Klassizismus
Autor: Michael Kuhn M.A.
Der Lousberg über der Stadt Aachen ist zu jeder Jahreszeit einen Besuch wert. Sei es die Liebe zu Architektur, Natur, zur Archäologie oder einfach nur die schöne Aussicht und gute Luft, man findet mit Sicherheit etwas, was einen begeistert. Der vorliegende Artikel soll Allen eine Vorgeschmack auf das bieten, was einem bei der Besteigung und Besichtigung der Aachener Akropolis geboten wird.
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Angeblich soll die Entstehung des Lousbergs dem Teufel zuzuschreiben sein, der Stadt und Dom aus Anlass eines Racheaktes mit einem riesigen Sack voller Sand verschütten wollte. Als er ermüdet vom Weg an der Stelle des heutigen Berges rastete, fragte er eine des Weges kommende alte Frau wie lange er den Sack noch bis zum Dom schleppen müsste. Die Greisin wies auf ihr abgelaufenes Schuhwerk und versicherte dem Teufel, dass sie am Morgen mit neuen Schuhen in Aachen aufgebrochen sei. Voller Zorn warf dieser den Sack zu Boden, der dabei zerplatzte und somit den heutigen Bergrücken schuf. Veranschaulicht ist diese mystische Begebenheit durch eine bronzene Figurengruppe, die am Aufstieg des Berges oberhalb der Kupferstraße zu bewundern ist.
Geologisch betrachtet liest sich die Entstehung des Berges natürlich gänzlich anders. Sedimentablagerungen schufen im Laufe der Jahrmillionen den heutigen Hausberg der Kaiserstadt. Einst unter dem Meeresspiegel gelegen erreicht der Berg heute eine Höhe von 264 m. Unterschiedliche Schwemmsande und mächtige Kalkablagerungen mit Feuersteinbändern bilden seine geologischen Schichten.
Spuren des jungsteinzeitlichen Bergwerks.
Der Stein der Begierde: Lousberfeuerstein.
Im Fokus der jungsteinzeitlichen Anwohner stand der Abbau der in den oberen Kalkschichten eingebetteten Feuersteinvorkommen. Dieser grau- bis nougatfarbene Rohstoff zur Fertigung von Klingen und Halbfabrikaten (unfertige, roh behauene Beile oder Klingen) besaß eine hohe Festigkeit und war gut zu bearbeiten. Etwa 500 Jahre dauerte es, bis die in den oberen Schichten bis zu einer Tiefe von 4,50 m vorkommenden Feuersteine abgebaut waren (3500 – 3000 v. Chr.). Datieren lässt sich dieser Zeitraum durch die in mehreren Grabungskampagnen geborgenen Funde aus organischem Material wie Geweih- und anderen Knochen, aus denen Werkzeuge zur Steinbearbeitung gefertigt wurden. Vertiefungen und Halden künden sowohl vom Abbau als auch von den archäologischen Grabungen im Bereich des Bergplateaus. Die Produkte des Lousbergs lassen sich anhand der typischen Beschaffenheit des Materials in einem Umkreis von bis zu 300 km Luftlinie nachweisen. Bei der jüngsten Grabung im Elisengarten (2007/8) konnte sogar ein jungsteinzeitlicher Abschlagplatz lokalisiert werden, an dem der gewonnene Feuerstein verarbeitet wurde (siehe hierzu die archäologische Vitrine im Elisengarten). In römischer und mittelalterlicher Zeit wurde der auf dem Berg verbliebene Kalkstein dann als Baumaterial verwendet (u.a. römische Thermen und die Barbarossamauer).
Der Obelisk.
Sein heutiges Aussehen erhielt der Lousberg hingegen erst im frühen 19. Jahrhundert. Es begann mit dem Geografen Jean Joseph Tranchot, der im Auftrag Napoleons eine topographische Aufnahme der Rheinlande im Maßstab 1:20.000 mit dem dafür auserwählten Triangulationspunkt auf dem Lousberg erstellen sollte. An dieser Stelle wurde zu Ehren Tranchots im Jahre 1807 vom französischen Kriegsministerium ein Obelisk errichtet (1814), der nach seiner zwischenzeitlichen Zerstörung, bedingt durch die Abdankung Napoleons (1815) repariert und mit einer neuen Inschrift versehen wurde. Die Vermessungsarbeiten wurden unter Preußischer Vorherrschaft fortgesetzt.
Ebenfalls in das Jahr 1807 fällt die Bepflanzung des Bergplateaus im Stil des englischen Landschaftsgartens (Maximilian Friedrich Weyhe). Der bis dato als Schafweide genutzte kahle Bergrücken verwandelte sich in einen Waldpark mit einem umfangreichen Baumbestand. Ein erstes von 1807/10 erbautes Gesellschaftshaus wurde vom Architekten Adam Franz Friedrich Leydel restauriert und erweitert. Nachdem das „Belvedere“ genannte Gebäude nach einem feierlichen Ball niedergebrannt war, wurde es von Leydel 1838 wiederhergestellt und diente fortan den betuchten Badegästen als Spielcasino. Das Belvedere, der Obelisk, das Monopteros (Rundtempel) an der Stelle des heutigen Drehrurms und die chinesische Pagode waren beliebte Ausflugsziele der Aachener Bevölkerung. Im Jahre 1906 wurden die baulichen Einrichtungen des Lousbergs um den Kerstenschen Pavillon, einem vom Architekten Johann Josef Couven am Annuntiatenbach errichteten Gartenhaus des 18. Jahrhunderts, erweitert, dem wegen umfangreicher Baumaßnahmen am bisherigen Standort der Abriss drohte.
Der “translozierte” Pavillon.
Nach den Zerstörungen des letzten Krieges hat sich vom Belvedere nur die an anderer Stelle wieder aufgerichtete Säulenvorhalle erhalten. Der Monopteros (der heutige Drehturm bzw. Restaurant/früher Wasserturm) und die chinesische Pagode gibt es nicht mehr. Eine ebenfalls im Stile eines griechischen Theaters angelegte Freilichtbühne scheiterte am regnerischen Aachener Wetter.
Die Säulen des ehemaligen “Belvedere”.
Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Grünanlagen auf dem Lousberg durch weitere Parkflächen in der Nachbarschaft erweitert. Dazu zählen der von Peter Joseph Lennè entworfene Stadtpark, die Grünflächen des nördlichen Alleenrings und das Areal des Salvatorberges. Bereits im Jahre 1866 war der Müschpark (11 ha) dem Landschaftspark zugeordnet worden. Zuletzt wurde im Jahre 2009 der nördlich des Berges gelegene Park des Raphael Klosters integriert. Heute ist der Lousberg größtenteils bewaldet und dient als Naherholungsgebiet. Eine reiche Fauna (Vögel, Amphibien, Reptilien) und Flora (Eichen, Buchen, Eiben, wilde Narzissen etc.) hat auf dem Lousberg eine Heimat gefunden.
Ein Netz von Wanderwegen durchzieht die Anlagen, die auch heute noch für „Open Air Veranstaltungen“ (Lousberg Lauf, Leselust etc.) genutzt werden. Der Obelisk ist wegen seiner Lage über der Stadt ein gern aufgesuchter Treffpunkt der Silvesternacht, weil man von hier aus das über dem Häusermeer aufsteigende Feuerwerk bewundern kann.
Bericht
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