Ein Masterplan für den neuen Schwetzinger Schlossgarten

Abbildung 1:   Handschriftlicher Text aus Abbildung oben links:

Plan
Über den zu Schwetzingen von tit. Bauintendanten Herrn … zu ahnlegung
eines neuen Schloßbau- und Gartens aufgestockten Feld-District
Gemessen und aufgenommen
Von
Churpfaltz Renovatorn Krönert
Im May 1749

Lit. A. Die von Oftersheim herabkommende Bach. B. ein von Stein gewölbte Brück. C. Viehtrift und weeg nach Ketsch. D. Weeg hinter der herrschaftlichen Orangerie. E. Ein Treibersteeg. F. Der fuspfad nach Oftersheim. G. Fahrweeg nach Oftersheim. J. Fahrweeg nach Hockenheim u. reylingen. K. Ein Pfadsweeg hinter den Häußern. L. Ein Ställgen. M. Das erste Häuslein zu Schwetzingen. N. Ein Wasserloch. O. Ein Gärtlein. P. Ein gemeinsamer ödter wasem. Q. Ein mit wilden Obstbäumen bewachsener ödter wasem worauf R. auch Lame oder Letten gegraben wardt. S. Ein steinerne Bildsäule. T. und V. Gewannen weeg welcher lezters meistens mit Heiden zur Rebhühner revires bewachsen. W. Graben. X. Ein Baumgärtel. Y. Ein mit Heiden bewachsene Haas- und Rebhüner revires. Z. Ein in einer Bach bestehendes gemeine Wieß. Z. Wald. aa. Der noch genannte Herrschaftliche Fasanengarten und bb. Die Behausung sambt cc. Dem Vorplatz und dd. Der Allee. Sämbtliche gewannen des Ackerfelds und so jedte besonders zeigen die mir gelben inglen angemerkte Stein welchen nach Ein solcher abgemaßen und aufgenommene gantze Feldt u. Bezirk sich ergeben. Die Hauptabstockung des neu angelegt werden sollenden Schloßbau und Gartens zeigen die auf den blau gedippelten Grenzlinien angemarckte viereckiges Blättgen und haltet sothaner gantze Distrikt auf enigen deßen sich dahir formierenden quadratig als lit EE, FF, GG abzunehmen. Von obigem abmaßungs= und aufnahms Bezirk decourtirt, so fallen an den äußeren Gewannen durch die äußeren Linien dießes neu angelegt werden sollenden Weyers durch abgeschnitten zugestockten Ackerfeld wieder zurück. Nota: Die alte Maßung ist dahier ad interim also reducirt, daß 11 Nürnberger ord: Zoll ein Pfälzer ord: Schuh betragen lienaliter. Nota: in dem Quadrat lit EE seyend die Mannheimer Schuh wonach die Nürnberger decimal lineliter reducirt ist, um deswillen angeführt, weylen bey daselbstig neuen Bau weßen 8.te geführt werden wolle.

Autor: Wolfgang Schröck-Schmidt


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Blick vom Schloss in den Schwetzinger Schlossgarten

Dieser Artikel beschreibt die Vorplanung und Gestaltung des Schwetzigner Schlossgartens durch Landvermesser Jean Baptist Krönert. Ziel war die Neuanlage des Schwetzinger Schlossgartens mit dem Vorhaben ein neues Schloss im Gartenbereich zu realisieren.

Dieser Artikel ist 2017 unter dem Titel:
ÖFFNEN ∙ BEWAHREN ∙ PRÄSENTIEREN
Durch Zeit und Raum: Mit unseren Monumenten
Autor:  Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg

im Nünnerich-Asmus Verlag & Media GmbH erschienen
ISBN: 978-3-961760-01-5

Viel zu klein sei der Plan, um sich eine Meinung zu bilden, schimpfte der gerade berufene junge Schwetzinger Gartendirektor Nicolas de Pigage am 25.8.1749. Jean Baptist Krönert sollte das Gebiet zwischen Oftersheim und Schwetzingen zeichnen, damit man sehen könne, ob das Projekt eine gesunde Proportion habe. Pigage verlangte zu Recht eine größere Karte! 1 Der hier zu behandelnde Plan (Abb. 1) des Landvermessers Krönert, der sich selbst als „Renovator“ bezeichnet, hat sich in Karlsruhe im Generallandesarchiv erhalten. Er ist halb so groß wie das Format der üblichen Enteignungspläne und misst nur 64 x 48 cm. Der von Pigage verlangte größere Plan hat sich nicht erhalten oder wurde nicht ausgeführt. 2 Hintergrund des Auftrages des Landvermessers war nichts weniger als eine Neuanlage
des Schwetzinger Schlossgartens mit dem Vorhaben, ein neues Schloss im Gartenbereich zu realisieren.

Erste Schwetzinger Gartenanlagen

Bereits im 17. Jahrhundert war unter dem Pfälzer Kurfürsten Carl Ludwig für seine zweite Gemahlin, Luise von Degenfeld, hinter dem Schwetzinger Schloss ein kleiner Garten entstanden. Der Hofgärtner Betting hatte laut seiner Bestallungsurkunde von 1668 neben Melonen und Artischocken auch Spargel anzubauen. Es ist der erste Nachweis des höfischen Gemüses in der heutigen „Spargelstadt“. Wir wissen wenig von diesem Garten, in dem auch die berühmte Liselotte von der Pfalz, Tochter des Kurfürsten, ihre Kindheit verbrachte.

Nach dem verheerenden Pfälzischen Erbfolgekrieg am Ende des Jahrhunderts entstand erst in den 1720er- bis 1740er-Jahren eine neue Gartenanlage unter dem Kurfürsten Carl Philipp (1661–1742). Als Gegenpol zum wieder aufgebauten Schloss ließ er eine halbrunde Orangerie errichten (Abb. 2). Die Gebäude waren durch einen langen Kommunikationsgang mit dem Schlossbau verbunden. Die erhaltenen Jagdbilder, von dem eines in dem erst vor Kurzem wiedereröffneten Schlossmuseum präsentiert wird, machen dem Jagdschloss Schwetzingen alle Ehre.

Von der alten Orangerie, vom Kommunikationsgang und von der Lust am Jagen ist nichts übrig geblieben. Der junge Kurfürst Carl Theodor (1724–1799) hatte Größeres im Sinn. Er war seit 1743 an der Macht und plante, die veraltete Gartenanlage seines Vorgängers komplett umzuarbeiten. Ihm zur Seite stand der Oberbaudirektor Alessandro Galli da Bibiena. Mit seinem Entwurf des halbkreisförmigen nördlichen Zirkelsaals im heutigen Garten begannen im Februar 1748 die großen Umbaumaßnahmen. 3 Als Bibiena völlig überraschend am 5. Mai 1748 in Mannheim starb, stockten die Arbeiten am Zirkelbau zunächst.

Plan eines neuen Schlossbau- und Garten-„aufgestockten Feld-District[s]“

Der Kurfürst engagierte am 10. Februar 1749 den jungen, für Schwetzingen so bedeutend werdenden Architekten Nicolas de Pigage. Der schimpfte bereits im April 1749 über den von ihm engagierten Landvermesser Krönert: „[…] zu behueff des new zu erbauenden Herrschaftlichen Lust Schlosses etwa außsteckende güther und indemnisation deren singolorum, deren güthern damit betroffen würden, den bedacht zu nehmen, dem zufolg dann auch der Hoffcammer Renovator Kraehner [gemeint ist Krönert] zu abmessung des betreffenden Distrikts abgeschickt, und angestellt werden daselbst auffhaltet, ohne daß ich begreiffen kann, warumb ersagter Krahner sich mit abmessung dieses zum behueff des Herrschaftlichen Lustschlosses emploirt werden sollenden platzes so lange Zeit aufhaltetet.“ 4
Demzufolge zeichnete Krönert 5  seinen Plan für die Neuanlage des Schlosses und des neuen Gartens im Mai 1749. Über einer Fülle von Gemarkungsflächen wurde ein Raster mit kleinen rechteckigen Punkten und „blau gedippelter“ (gepunketer) Linien gezogen. Es ist nicht einfach, sich in dem Plan zu orientieren, fast alle Ortsangaben oder bestehenden Gebäude wurden nicht eingezeichnet. Nach dem Richtungspfeil am oberen rechten Bildrand ist die Karte geostet. Eine erste Orientierung gibt die halbrunde, grüne Inschrift unterhalb der Legende „Neue Orangerie“. Gemeint ist hier der heutige nördliche Zirkelbau sowie die anschließende Treillage gegen Westen. Demzufolge ist die Markierung des Rasters unweit des Buchstaben „D“ der heutige Arionbrunnen im Zentrum des Kreisparterres. „D“ wird in der Legende als „Weeg hinter der Orangerie“ bezeichnet. Rechts davon steht mit fremder Hand „Herrschaftliche Garten“ geschrieben. Gemeint ist der damals noch bestehende Garten samt Orangerie, angelegt von Kurfürst Carl Philipp, dem Vorgänger von Carl Theodor.
Am Wegkreuz führt die Straße von Osten nach Westen, von Schwetzingen-Stadt nach Ketsch. Die kleine Allee „dd“ führt zu der alten Fasanerie, die bereits in den 1680er-Jahren unter Kurfürst Carl II. entstand. Heute befinden sich hier die modernen Gewächshäuser
des Schlossgartens. Auffallend sind die großen grün markierten Sumpfgebiete „Z“ und „Q“. Abzweigend vom Weg nach Ketsch führt dieser nach Hockenheim und nach Oftersheim. Auf der rechten Seite des Plans steht mit grüner Tinte „Gemarkung Oftersheim“ geschrieben. Die Grenze zwischen Schwetzingen und dem benachbarten Oftersheim ist mit braunen Strichen gekennzeichnet. Rechts neben der Legende, am oberen rechten Bildrand, wird mit „A“ der Leimbach bezeichnet, über den die Brücke „B“ führt, heute in der Forsthausstraße am Palais Isenburg gelegen. „M“ und „O“ sind „das erste Häuslein“ und „ein Gärtlein“, die zum Unterdorf Schwetzingens gehören.

Abb. 2 – Enteignungsplan von 1753, Generallandesarchiv Karlsruhe, Ausschnitt

Verschwundene Dünen

Über dem mit grüner Tinte geschrieben Buchstaben„H“, in der Mitte der Karte, befindet sich ein nach beiden Seiten spitz zulaufendes Grundstück. Hierbei handelte es sich um eine ehemalige Düne im heutigen Schälzig, ein im Süden des Schlossgartens
angrenzendes Neubaugebiet in Schwetzingen. Die Düne wurde erst in den 1970er-Jahren beim Bau des Schwetzinger Krankenhauses abgetragen. Man fand hier 5000 Jahre alte Bestattungen aus der Zeit der Bandkeramiker. Eine zweite Düne zeichnet Krönert weiter links, auf der nördlichen Seite des Weges „C“ nach Ketsch. Hier befinden wir uns mitten im Schlossgarten in der Nähe des Gartendenkmals, wo bereits in den 1770er-Jahren ebenfalls beim Abtragen der Düne archäologische Funde gemacht wurden.

Abb. 3  –  Enteignungsplan um 1753 mit dem darüber gelegten Plan von Krönert

Das Raster mit den „blau gedippelten Linien“

Wo befinden sich nun die Stadt Schwetzingen und der Schlossbau? Warum Krönert sie ausgerechnet unter der Legende platziert hat, bleibt sein Geheimnis. Zumindest macht das die Lesbarkeit des Planes für einen Außenstehenden fast unmöglich (Abb. 3).
Der gesamte Gemarkungsplan wurde mit einem Raster von „blau gedippelten [gepunkteten] Linien“ überzogen, welches der Landvermesser „Hauptabstockung des neu angelegt werden sollenden Schloßbau und Gartens“ nennt. Das Raster umfasste 6 x 4 + 2 große Quadrate sowie zwei mittelgroße am rechten Kartenrand innerhalb der Oftersheimer Gemarkung und je zwei kleinere Quadrate oben und unten. Die Maßeinheiten wurden nicht nur in Nürnberger Zoll, sondern auch in Mannheimer Schuh angegeben, „weylen solcher bey daselbigst neuen Bau wesen geführt werden solle“ 6 . Die Anlage des neuen Gartens war demnach weitaus größer geplant, als er heute ist. Er sollte sich nicht auf das heute noch bestehende Schloss, sondern vielmehr in Nord-Süd-Richtung vom heutigen nördlichen
Zirkelbau bis hin zur Oftersheimer Gemarkung beziehen. Das entspricht einer Fläche von über 400 Hektar im Gegensatz zum heutigen Garten mit einer Größe von 72 Hektar.
Anhand der individuellen Ausformung der eingezeichneten Felder und Gemarkungen kann man den Plan von Krönert auf andere Pläne projizieren. In Abb. 3 wurde als Grundlage der Enteignungsplan des Schlossgartens von 1753 genommen, 7  der im Original genau doppelt so groß ist wie der Plan Krönerts. Vergrößert man nun unseren Plan dementsprechend und bringt die eingezeichneten Felder der beiden Pläne deckungsgleich auf (Abb. 4), findet man zunächst das Schloss wie beschrieben verdeckt unter der Legende. Genau auf der zweiten senkrechten Rasterlinie von links liegt die Achse Königstuhl-Kalmit. Rechts der Linie zeichnet Krönert folgerichtig die „Neue Orangerie“ ein. Das Zentrum des Kreisparterres bildet der Rasterpunkt rechts neben der Markierung „D“. Die folgende Rasterlinie weiter nach rechts bezeichnet die heutige Kastanienallee längs des Moscheegartens. Nach Osten (oben) verlängert, führt sie durch das sogenannte Wildnistor und in die Forsthausstraße. Auf der nächsten Rasterlinie nach rechts befindet sich heute der Zähringer-Kanal, der die Südbegrenzung des heutigen Schlossgartens bildet. Auch sind die waagerechten Rasterlinien für die Anlage des heutigen Schlossgartens verbindlich. So bildet zunächst die mittlere waagerechte Linie des Rasters die Mittelachse des neu anzulegenden Schlossgartens. Diese Linie trifft im Zentrum des Kreisparterres senkrecht auf die Achse Kalmit-Königstuhl. Die Waagrechte ober- und unterhalb der Mittelachse bilden die Tangenten des Kreisparterres. Die untere Linie liegt genau im heutigen Schwarzmeerkanal, westlich des Badhauses.
Obwohl Pigage den „Renovatoren Krönert“ stets harsch kritisierte, legte er doch das Raster der Anlage des Schlossgartens zugrunde. Zeichnet man nun dieses Raster weiter bis zum später angelegten sogenannten Jagdstern im angrenzenden Hardtwald, erkennt man, dass es auch hier seine Gültigkeit hat. Wie Pigage selbst betonte, diente der Plan dazu, sich eine Meinung über das Areal zu bilden. Er sollte als Grundlage dienen, die zu realisierenden Gartenarchitekturen einzuzeichnen. Krönert zeichnete mit schwachem Duktus im Halbrund die „Neue Orangerie“ über die Mittelachse des neuen Gartens ein. Sicherlich war im Westen ein zweiter Zirkelbau geplant, wie ihn 1753 der Architekt Rabaliatti entwarf. 8
Offen muss die Lage des neuen Schlossbaus bleiben. Pigage zeichnete im Jahr 1750 mehrere Grund- und Aufrisse für den Neubau, die aber allesamt nicht realisiert wurden. Wir wissen, dass Carl Theodor im Januar 1750 einen allgemeinen Baustopp verhängte. Im  Oktober sollte die Bevölkerung entschädigt werden, die „ Zum Neuen orangerie Hauss und angelegten Schlosses […] auf ihren Gütern Schaden an Früchten gehabt hat“. 9  Im November wurde dann das Projekt für den Schlossneubau und die Gartenerweiterung in südliche Richtung aufgegeben und die bereits verlegten Fundamente des Neubaus wieder ausgegraben. 10  Was blieb, sind nur die bis heute allgegenwärtigen und doch unsichtbaren Raster des „Renovatoren“ Krönert im Schwetzinger Schlossgarten, wie es die Projektion des historischen Planes auf den aktuellen Schlossgartenplan in Abb. 4 zeigt.

Abb. 4  –  Plan von Krönert über dem aktuellen Schlossgartenplan

Anmerkungen

1    Vgl. Heber 1986, S. 257.
2   Vgl. Abbildung des Plans bei: Heber 1986, Abb. 78 und Generallandesarchiv Karlsruhe H Schwetzingen 6.
3   Vgl. Heber 1986, S. 255.
4   Ebd., S. 256.
5   Über den Landvermesser Krönert ist wenig bekannt. Er arbeitete 1745 im kurpfälzischen Kirschgartshausen (Plan Generallandesarchiv Karlsruhe H Kirschgartshausen 4) und 1747 im kurpfälzischen Lobenfeld und Dilsberg (Plan Generallandesarchiv Karlsruhe H Lobenfeld 8). Zwischen 1749 und 1760 zeichnete er mehrfach Pläne in Schwetzingen, Oftersheim und Hockenheim (vgl. URL: https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/suche/ergebnis1.php).
6   Vgl. Legende des Plans.
7   Vgl. GLA Karlsruhe, Plan H Schwetzingen 5.
8   Vgl. Martin 1933, S. 113.
9   Martin 1933, S. 46 f.
10  Vgl. ebd.